Steinrausch

Schad, a es aweil nemeh do. En so ähna Zeit, wer froht do danoh? Bis an de Bauch es a ma gang, da „Deiwelsstähn“ varn Stähnrauschhang. lwa ein Galjaberch, lo hennen, senn jo genuch Stähn zu fennen. Awa kähna wor so wie derlo, on so en Stähn, es haut nemeh do? Aussenwenzich schwarz, ennenwenzig rot, schepp ein Boddern, gesetzt ohnen Lot. Da Kopp wor spetz, en da Metten geress, on owendroff van de Kowen vaschess. Et wor kähn Sandstähn, kähn Wacken on kähn Granit, et wor ewen kähn Stähn, wo ma he-irem gesit. Wat es do annaschs iwerichs bliew? „Deiwelsstähn“, so wor an genannt, on jeda van Roden, der hot en kannt. Wofor da Deiwel so’n Stähn misst hann, dodroff konnt kähna ähn Antwort sahn. A gäw ewen, on dat sollt jo kähnen vawonnan, van Zeit zu Zeit vanselwa donnan. Wer met ein Kopp gäw dawidda knallen, dem gäwen de Glocken van Trea aschallen. Den Stähn hot eich ma mol richtich betracht, so, wie ma dat ohnen ähn anneren macht. Net lang gefroht, hingang on proweat, es ernma noch bessa, wie lang rom studeat. Danoh konnt eich jedem die Wohrhät beschweren: „Am Deiwelsstähn kann ma Glocken lauden heren.“ Ob et awa die van Trea woren, so weit, dat hollen eich awa net of mei Eid.
 
Die Trasse der Kurt-Schumacher-Allee war abgesteckt. Rot-weiße Bänder flatterten im Wind und man konnte endlich wissen, wo es lang geht zu den vielen neuen Häusern, die hier auf dem Steinrausch, zwischen Roden und Fraulautern, gebaut werden sollen. Werden die Bewohner dann zu Roden oder werden sie zu Fraulautern gehören? Oder wird gar die Banngrenze bleiben? Noch war das Wort von dem neuen Stadtteil Steinrausch nicht gängig, zu wenig im Gebrauch, ja, es war noch gar nicht so sicher. Was, so dachte ich mir, liegt näher, ein neuer Stadtteil, oder die Kurt-Schumacher-Allee als Grenzstraße zwischen Roden und Fraulautern? Mein „Unmöglich“ war kaum gedacht, da war der Gedanke an ihn schon da, der „Deiwelsstähn“, der ja bis dahin über Jahrhunderte die Felder der Rodener und der Fraulauterner Bauern aufgeteilt hat, er stand ja riun wörtlich genommen mitten in dem neuen Weg. Die Beschreibung in den Gedicht: „Da Deiwelsstähn varn Stähnrausch“ ist ziemlich genau:
 
„Aussenwenzig schwarz, ennenwenzig rot, schäpp ine Boden gesetzt ohne Lot. Da Kopp wor spez, en den Metten gere ss, on owendroff wota van de Kowen vaschess. Et wor kähn Sandstähn, kegihn Wacken oda Granit, et wor ewen kähn Stähn, vo ma heirein gesit.“
 
War der bis dahin zum Steinrausch führende Kiesweg nur knapp 3 Meter breit, dann mußte der „Deiwelsstähn“ weichen. Genau dort, wo die mühsame Steigung ihr Ende fand, stand zur rechten Seite des Feldweges zur „Häd“, dieser sonderbare Stein als Banngrenzstein. Ihn müßige man doch aufbewahren, schließlich hat er einen Namen, ist bekannt, so dachte ich und ging zu ihm. Leider war das genau einen Tag zu spät. Die schweren Strassenbaumaschinen arbeiteten bereits einige hundert Meter weiter. Sie rissen die Erde auf, schoben Erdmassen in Senken und trugen an anderen Stellen das Erdreich ab. Diese Bulldozer und Schrämmaschinen sahen in dem Stein, den ich nun suchen wollte, gewiss kein Hindernis. Irgendwo in der Nähe, wo er solange Zeit gestanden hat, darf er nun wohl endlich liegen bleiben. Schließlich ist es ja nur ein Stein, so wollte ich mich selber trösten , und „Teufelszeug“ braucht ja schließlich niemand. Der Stein ist wieder eins mit seiner Mutter Erde geworden, kein Zeichen der Menschen mehr, schon gar nicht in seiner angedichteten Bedeutung. Mag er endlich seine Ruhe haben.
 
Doch das ist nur der erste Teil dieser Geschichte.
 
Die Ausgrabungen am Sudelfels, bei Ihn, werden von Dr. Maisant, mit einigen Helfern zügig fortgeführt. ABM-Maßnahme in der Arbeitsverwaltung des Kreises Saarlouis machten diese Ausgrabungsaktion möglich. Das war aber auch ein Erfolg, als man am Sudelfels einen römischen Tempelbezirk freilegen konnte. Da war das Staunen groß. Es sind mehr als 500 Quadratmeter Gebäudefläche freigelegt worden und mehrere auf engem Raum zusammenliegende, teils ergiebige Quellen wurden dabei angeschnitten. Die Gesamtfunde, einschließlich der aus den Grabungen im Jahre 1903, lassen den Schluss zu, daß. es sich tatsächlich um einen römischen Tempel gehandelt haben könnte, in dem unter anderen vermutlich auch die Göttin „SIRONA“ von römischen Gläubigen verehrt wurde. Doch was hat diese Ausgrabung am Sudelfels bei Ihn mit dem „Deivelsstähn“ zu tun?
 
Dort fand ich einen Stein, der ihm so sehr glich wie ein Ei dem anderen. Wie gehabt, außen schwarz, innen rot und an der Oberfläche die gleiche kristalline Aufspaltung durch Haarrisse, an denen Hitze und Frost, als Zahn der Zeit, nagten. Was aber das Besondere war, sein Umfang und seine äußere Form glich so sehr dem „Deiwelsstähn“ vom Steinrausch, daß unschwer zu erraten war, wieso es von dieser Sorte gleich zwei geben konnte. Es handelte sich um eine rosarote Marmorsäule, die in der Mitte schräg gerissen und gebrochen war. Die Schrägung des einen war spiegelbildlich auch die des anderen Steines. Wie die Grabungen weiter ergaben, hatte der Tempel der SIRONA schon Fußbodenheizung – Hypokaustum – und rutschsichere Bodenplattenbeläge.
 
Bei einer solchen Bauweise darf darum auch vermutet werden, daß rosarote Marmorsäulen den Eingang oder gar die Tempelhalle zierten. Doch warum liegt der eine Stein an die tausend Jahre am Hirnberg bei Ihn, und der andere steht als „Deiwelsstähn“ auf dem Steinrausch? Der Lösung dieses Rätsels kommen wir wohl damit am nächsten, wenn wir vermuten, daß ein besonderer Stein als Banngrenzstein gebraucht, gesucht und bei Ihn gefunden worden ist.
 
Die Zeit der Göttinnen und Götter in unserem Raum mußte nach der Christianisierung zu Ende sein. Spätestens nach Konstantin d. Gr., der das Christentum zur Reichsreligion erhob, wurden die Tempel der Göttinnen und Götter gemieden, ja das heidnische als Teufelszeug und Teufelswerk erklärt. Mußte von da an nicht alles, was an solche heidnischen Kulte erinnert, geradezu „des Deiwels“ sein? Ganz gewiß wurde so manche Kultstätte von Kirchen überbaut oder umgewandelt, zu Wallfahrtstätten der kirchlichen Heiligen genutzt. Nur, SIRONA war dabei nicht mehr gefragt. Ihre Verehrungsstätte wurde gemieden, die Bauwerke waren billige Steinbrüche für den Aufbau von neuen Steinbauten.
 
Das Wissen jedoch, daß man dort umsonst „Deiwelsstähn“ wegkarren konnte, war weithin bekannt. So hielt sich der einmal vorhandene Name für unseren „Deiwelsstähn“, von Generation zu Generation überliefert, über die Jahrhunderte.
 
Es war ein Stein, wie es in der weiteren Umgebung des Steinrausches keinen zweiten gab, außer der Säulenhälfte, die bis 1981 in den Ruinen des Sudelfelsens lag. Konnte dieser sich damit brüsten einer Göttin zur Zierde ihres Tempels gedient zu haben, mußte die andere Hälfte „bitteres Unrecht“ erfahren und „Deiwelsstähn“ als Namen tragen. Wie schön hätte es denn sein können, wenn beide Steine, wenn auch als Säule gebrochen, hätten zusammengelegt werden können, um Göttliches und Teuflisches wieder vereint zu sehen. Wir hätten erkannt, ein Stein bleibt so wenig eine Säule, wie alles anderen von Menschenhand geformte immer wieder zur Erde zurückfindet. Es braucht halt alles ein wenig Zeit.